Soundtracks mit spukhafter Fernwirkung
August 8th, 2012
Philip Jeck – Live in Liverpool
The Caretaker- Patience (After Sebald)
Richard Skelton – Verse Of Birds
Ela Orleans – Mars Is Heaven/Live
U.S. Girls – On Kraak/Live
Literarisch ist die Technik der Überlagerung von Fiktion und Realität gängiges Stilmittel, in die auch die naturwissenschaftlichen und metaphysischen Aspekte des Zusammenhangs von Erinnerung, Gedächtnis und Amnesie – wie z.B. von W.G. Sebald zur Meisterschaft gebracht – relevantes Gewicht haben können.
Wohl bedingt durch die mittlerweile unfassbar großen Tonarchive, die durch die neuen Speichermedien in den letzten Jahrzehnten entstanden und den scheinbar uneingeschränkten Zugang zu diesen Datenmengen, ist in der abstrakten Musik ein Subgenre gesprossen, dass sich an die schriftstellerischen Techniken anlehnt und biographisches und erfundenes Material/Quellen mischt und etwas Drittes generiert.
Philip Jeck war einer der Ersten, der das Thema (kulturelles) Gedächtnis in den Mittelpunkt seines musikalischen Oeuvres stellte.
British Ghost Stories 3
November 28th, 2010
Richard Skelton – Marking Time
Es sind imaginäre Landschaften, die Richard Skelton mit seiner Musik heraufzubeschwören versucht, aber auch die realen West Pennine Moors in Lancashire, unweit seines Wohnhorts Standish gelegen, hinterlassen ihre Prägungen, die in die Kompositionen miteinfließen. Der wilde, raue, zwischen ruinösen Überbleibseln des Industriezeitalters und zerfurchten Heidelandschaften sich vermischende Nord-Westen Englands ist nicht wirklich mit der Leichtigkeit des Seins in Einklang zu bringen. Obwohl, wie überall, die Zeichen der Zeit unübersehbar sind und sich ausgedehnte Shopping- und Freizeitwüsten am Rande der Städte weiterhin ausbreiten, wirkt diese Gegend zwischen den urbanen Zentren auf den ersten Blick merkwürdig unverbaut. Bei genauerer Betrachtung allerdings lässt sich auch erkennen, dass einen die eigene Wahrnehmung mitunter trügt und eine gewaltige Rückeroberung der ehemaligen Kanäle, Fabrikanlagen und Brachflächen durch die Natur stattfindet.
British Ghost Stories 1
June 19th, 2009
Mount Vernon Arts Lab – The Séance At Hobs Lane
‘…the forthcoming end of the world will be hastened by the construction of underground railways burrowing into infernal regions and thereby disturbing the Devil.’
Rev. Dr. John Cumming 1860 (Zitat ‘The Séance at Hobs Lane’ (Ghost Box 09)
Anfang des 19. Jahrhunderts erwarb der Tabakhändler Joseph Williamson ein großes Stück Land im Edge Hill – Bezirk von Liverpool, auf dem er zahlreiche Häuser in zum Teil exzentrischer Anordnung und Form, scheinbar ohne festen Plan errichten ließ. Anschließend hieß er eine Hundertschaft Arbeiter Gärten mit bogenförmigen Terrassen zu bauen. Bis 1840, dem Jahr seines Todes, konzentrierte er sich dann auf die Umsetzung seiner bizzarsten Idee: Unter seinem Grundstück konstruierte er, einem albtraumhaften Labyrinth gleich, eine Vielzahl geheimer Tunnel, großer Hallen und Gänge, wiederum ohne offensichtlichen Zusammenhang. Das ganze System ist grotesk und spottet jeglicher Beschreibung.
British Ghost Stories 2
June 16th, 2009
Matt Elliott – Something about Ghosts
Als Matt Elliott beim zwanzigminütigen Schlußstück ‘The Maid We Messed’ nochmals in die Rolle (des einzigen Mitglieds) der Third Eye Foundation schlüpfte, konnte man die Entstehung elektronischer Musik in Echtzeit mitverfolgen. Beginnend mit unstrukturiert scheinendem, im Saal kaum wahrnehmbarem, Surren und Klicken wurden Layer um Layer mit Melodien und Beats zu einer melancholischen, immer dichter werdenden Himmelsfanfare übereinandergeschichtet, bis alles irgendwo unter der Hallendecke zerbarst. Ein Fehler in der Konzentration und das Stück wäre implodiert.
British Ghost Stories 5
June 13th, 2009
The Wild Swans – English Electric Lightning
Liverpool ist seit jeher berühmt dafür, dass Aufstieg und Niedergang nicht weit auseinanderliegen und auch Lebensläufe sich plötzlich radikal verändern können. Auf die Musik bezogen, gehört es dort zum guten Stil hoch talentiert zu sein, kommerziell unter seinen Möglichkeiten zu bleiben und bezüglich aktuellen Moden auf einem anderen Planeten zu wandeln.