Ripples

February 27th, 2019

Black To Comm – Seven Horses For Seven Kings
Alexander Tucker – Don’t Look Away

Schweres Geschütz fährt Marc Richter auf seiner neusten Black To Comm – Veröffentlichung, der ersten für das Chicagoer Label Thrill Jockey, auf. Als hätten die Dronemaster von Sunn O >>> ihre Hände mit im Spiel gehabt und einen dunklen Nachhall hinterlassen, geht es hier richtig zur Sache.

Fanfarenstöße, martialische Lärmwände und industrial-ähnliche Drums und Beats ballen sich zu beunruhigenden Drones zusammen und steigern sich zu Crescendos, nur um dann wieder zu implodieren. Trotz allem Materialaufwand wirkt Marc Richters Musik in seiner Struktur aber immer noch songartig und erzählend. Man könnte Seven Horses For Seven Kings als Statement zur misslichen Weltenlage sehen, andererseits, blau, sehr blau war schon immer die bevorzugte Grundstimmung der Black To Comm – Welt. Die Songs sind auf dem neuesten Opus so komplex verschachtelt, dass man Gefahr läuft, die feineren, stilleren Nuancen ersteinmal zu überhören. Richters andere Seite, die man z.B. von Alphabet 1968 kennt und die in subtileren Bereichen des Ocean of Sounds fischt, ist nämlich nicht abhanden, nur etwas verschüttet gegangen. Alphabet 1968 von 2009 z.B. war ein erklärtes persönliches Album und hatte unter anderem das Aufwachsen im Schwarzwald in den 1970ern zum Thema. Mit dem warmen Grundton und dem Talent Gesprächsfetzen, Außenaufnahmen, melancholische Klavierakkorde, Schallplattensamples, akustische und elektronische Instrumente usw. in einer fesselnden Weise miteinander zu verbinden, stieß er mit seiner Musik durchwegs auf ein positives Echo und fand seine spezifische Handschrift.
Bei Seven Horses For Seven Kings, das über einen längeren Zeitraum in Hamburg und auch im InaGRM – Studio in Paris produziert wurde, kämpft man sich durch schwere, zähe Soundwelten, visuell analog zu der Geisterfratze auf dem Cover von Andreas Diefenbach. Plötzlich steht der Rhythmus und nicht mehr das Dahinfließen in verschieden Schichten der Musik im Vordergrund. Von droneartigen, brutzelndenden Soundgebilden nahe am Weltenabgrund über dramatische, bombastische Filmmusiken, von desolaten, einsamen Pianoeinlagen über psychedelisch verdrehte Albträume, von einer geisterhaften Spiel mir das Lied vom Tod – Referenz a là Forest Swords über einen atonalen Zusammenprall von technoiden Perkussion- Samples und einer Chor/Stimmeinlage aus der Neuen Musik ist hier alles möglich. Die Platte endet mit einem melancholischen, meditativen Travelogue durchs Bewußtsein in einer post-apokalyptischen Ruhe. Wie gesagt, schwerer Stoff.

Der unwiederbringlich von der englischen Folkmusik und seinen psychedelischen Exkursionen beeinflusste Alexander Tucker, verbindet seine Vorlieben für aus dem Ruder laufende und in dronige Verzweigungen abweichende Stücke auf seiner neusten Platte zu einem fast klassisch anmutenden Songzyklus.

Eigentlich aus dem HC-Punk kommend und auch stark mit der Comicszene in London verbunden – selbstverständlich zeichnet Tucker sich auch für die Covergestaltung verantwortlich – entdeckte er ziemlich bald die experimentelleren Varianten des britischen Folk-Acid-Undergrounds. Die frühen Solo-Alben wie Furrowed Brow oder Old Fog mischten auf unnachahmliche Weise das nostalgische Flair der traditionellen britischen, sprich englischen, Musik mit einem unwirklichen, unheimlichen Unterton und einem Gespür für eingängige Songs. Mit seelenverwandten Grenzgängern wie Richard Youngs oder Sharron Kraus steht Tucker seit der Jahrtausendwende für diese gleichzeitige Rückbesinnung und Gegenwärtigkeit.
Zusammen mit Daniel O’Sullivan bekleidet er außerdem ein, mit Versatzstücken des subversiv-esoterischen (Electro-) Pop-Underground herumspielendes Projekt, Grumbling Fur. Mit einer idiosynkratischen Mischung aus eigenen Ideen und (unterstellten) Hommagen an die Musikgeschichte – Boards of Canada, Current 93, Fad Gadget – begeben sie sich auf den Pfad des immer leicht versponnenen, immer angenehm schrägen englischen Undergrounds, White Magic sozusagen. Auch Kooperationen mit u.a. Stephen O’Malley stehen in seiner künstlerischen Vita.
Don’t Look Away, seiner ersten Solopltatte seit 2012, merkt man durchaus an, dass Tucker nun auch für diverse Auftragsarbeiten, z.B. für das Zürcher Schauspielhaus arbeitet, so kohärent und auf den Punkt gebracht hat man seine Einflüsse aus Folk, Kraut, Drone und Pop noch nicht gehört. Warmer Gesang, Gitarren, Orchesterarrangements, und selbst eine Gastsängerin wie Nik Void, die eher für die Avantgarde steht, gliedert sich in diesen, beinahe zeitlosen, Reigen schöner Musik ein.

Thrill Jockey