Bandes Sonores Françaises 3

January 7th, 2010

DEFICIT DES ANNEES ANTERIEURES
Mit einem vierzehntägigen, jeweils zweistündigem musikalischen Hörspiel für das franzsösiche Radio Libertaire700 000 tonnes à 100km/h dans le broullard – sorgte das legendäre Musikkunstkollektiv DDAA – laut zuverlässigen Quellen – für einen der Höhepunkte des  Jahres 2009. Auf Fractal wurde zudem ihr, nicht nur für die franzsösiche Außenseiter-Avantgarde wegweisendes Album, Action And Japanese Demonstrations wiederveröffentlicht. Erfreulich, dass die drei Kunststudenten, die sich 1979 an der Kunstakademie in Caen trafen – Jean-Luc André, Sylvie Martineau und Jean-Philippe Fée – sich weiterhin, wenn auch sporadisch, an den zeitgemäßen Schnittstellen von Musik, Kunst und Avantgarde bewegen, ob das Performances, Seminare oder ausgesuchte Veröffentlichungen sind.


Nachfolgend, ein kurzes Abschweifen ins Nostalgische: Ein Interview mit der Gruppe, zuerst erschienen im Fanzine Out Of Depression, 1988.

Krieg der Steine
Ein Interview mit den Mitgliedern der französischen Gruppe DDAA, die gleichzeitig Betreiber des Labels Illusion Prod. sind.
Was versteht ihr unter dem Projekt DDAA?
DDAA besteht aus drei Mitgliedern. Im Grunde sind wir plastische Künstler; unsere Art Musik zu erfassen wird sehr dadurch beeinflußt. Wir beschaftigen uns auch mit dem Label Illusion Production, das wir 1979 gegründet haben, und mit aller ähnlicher Musik.
Wie würdert Ihr Eure Vorlieben in Bezug auf Musik, Kunst etc. beschreiben?
Wir sind geschulte Plastiker und sind weiter auf dem Gebiet der plastischen Künste tätig. Auf diesem Gebiet hat jeder von uns verschiedene Einflüsse und Vorlieben, und jede unserer plastischen Produktionen hat ihren eigenen Charakter. Wir vereinen uns eher in der Musik, denn wir haben die gleiche Auffassung, mit ihr umzugehen. Was unsere Vorlieben betrifft; wir sind sehr wählerisch, obwohl wir zuerst Anhänger des Rock waren; aber heute finden wir interessante Sachen und Quellen der Inspiration in allen Richtungen (algerischer Rai z.B.).
Kritiker beschreiben Eure Musik oft als den Versuch von Franzosen wie Japaner zu klingen. Begründet sich dies in deren Unfähigkeit oder habt Ihr tatsächlich Affinitäten für die japanische Kultur?
Das erste Album von DDAA Action et demonstration japonaise war tatsächlich eine Eingebung der japanischen Kultur. Es handelte sich eigentlich um eine Darstellung von Informationsbehandlung, wenn diese die entstellenden Filter der verschiedenen Gesellschaften passiert. Wir haben dieses Schöpfungsprinzip behalten, indem wir es anderen Themen anpassten. Man kann also nicht sagen, wir versuchten den Japanern ähnlich zu sein. Es war gerade das Gegenteil, was die LP beinhaltete; später sind wir von japanischen Themen abgekommen, außer in der Benützung gewisser Klänge. Aber wir sind glühende Verehrer des japanischen Films (Ozu, Kurosawa, Mizoguchi…).
Wie entsteht die Musik von DDAA?
Im Allgemeinen sind unsere Stücke das Resultat von Ideen, die sich der Improvisation öffnen; dann bearbeiten wir das Band mit aufeinanderfolgenden Modulationen. Wie ein Maler, der neue Farben zusetzt.
Eure Arbeit ist von Minimal- und Industrialmusik beeinflußt, ihr habt jedoch einen ganz eigenen Stil. Macht dies euch zu Außenseitern in der neuen französichen Musik?
Es scheint, als ob wir einen besonderen Platz in der Neuen französischen Musik bekleiden. In erster Linie liegt das an der Art, wir wir unsere Musik aufbauen; wir bleiben nicht eingeschlossen in der Wiedergabe eines importierten Stils, im Gegenteil, wir sammeln alle möglichen Einflüsse über Minimal und Industrial hinaus, um die eigentlichen Elemente eines jeden Stückes herauszuholen. Zweitens findet diese Behandlung der Einflüsse ihren eigenen Stil in der Tatsache, dass wir ursprünglich keine Musiker sind. Und diese Freiheit in der Behandlung, verbunden mit zahlreichen Einflüssen, schafft den Stil von DDAA. In diesem Sinne ist er nicht übertragbar auf andere Gruppen, aber einige finden auch ihren eigen Weg (z.B. Vox Populi, Tiger Comics Group…).
Was haltet Ihr von der progressiven französischen Musik im Allgemeinen?
Unser Interesse an der experimentellen Musik beschränkt sich auf ihre weniger technische, mehr freie Tendenz.
Welches Interesse an dieser Musik zeigt sich im In- und Ausland?
Unsere Hörerschaft in Frankreich ist noch relativ begrenzt, wir senden in zahlreiche Länder, wenn auch in kleinen Mengen, aber die kleinen Bäche bilden die großen Flüsse (…).
Wie vertreibt Ihr Eure Platten und Kassetten?
Die Gewinne aus dem Verkauf der Produkte “Illusion” erlauben nicht, die Mitglieder des Labels zu bezahlen. Sie reichen gerade, um die laufenden Kosten zu decken. Man kann in Wirklichkeit nicht von einem Job reden, aber die kreative Arbeit, die uns motiviert, übertrifft den Bereich des einfachen Hobbys.
Seid Ihr abhängig von einem professionellen Vertriebsnetz oder arbeitet ihr mittels Postvertrieb. Wie arbeit Ihr mit ausländischen Musikern/Vertrieben zusammen?
Wir arbeiten hauptsächlich mittels Postsendung mit den ausländischen Vertrieben , und wir versuchen, fachmännische und unabhängige Verteiler in Frankreich zu finden. Es ist nicht leicht, alle diese unabhängigen Verteiler machen einer nach dem anderen bankrott. Wir haben auch noch ein Postvertriebsnetz von treuen Anhängern, die uns regelmäßig schreiben.
DDAA hat an zahlreichen Kassetten mitgewirkt. Seid ihr noch immer mit der Kassettenszene verbunden? Ist die Kassette noch ein Medium für Experimente?
Wir haben an zahlreichen Compilations teilgenommen, denn wir sind oft dazu aufgefordert worden, ohne es unbedingt zu wollen. Tatsächlich arbeiten wir lieber auf größeren Musikflächen, wo wir wirklich zusammenhängende Stücke aufbauen können. Deswegen arbeiten wir lieber mit ganzen Kassetten oder Platten von DDAA, wenn man es uns vorschlägt, so wie ADN in Italien, Cause & Effect in den USA oder Big Noise im englischen Archgate. In dieser Weise haben wir eben eine LP für das belgische Label Psychedelci fertiggestgellt. Die Kassette scheint mit der Entwicklung der letzten Jahre nicht Schritt halten zu können. Sie bleibt ein nützliches Medium, man kann nicht immer LP oder CD produzieren, obwohl das unser Ziel ist.
Die Produktionen von DDAA/Illusion haben eine eigene Ästhetik. Worauf legt Ihr diesbezüglich wert?
Wir legen sehr viel wert auf das äußere Bild, die Verpackung. Jedes einzelne Produkt ist als eine Art Kunstwerk konzipiert.
DDAA tritt selten live auf?
Wir geben sehr wenig Konzerte, denn wir sind (vor allen Dingen) eine Studioband. Wir ziehen die reine, kreative Arbeit im Aufnahmestudio den Konzertproben vor. Da wir auf der ewigen Suche nach Kreativität sind, machen wir nie die gleichen Konzerte von Jahr zu Jahr. Wenn wir zu oft vor Publikum erscheinen müßten, bleibe uns nicht genug Zeit für Recherchen. Zur Zeit bereiten wir eine Aufführung für November vor, in der Musik und Video vereint sind.
Was ist als Nächstes zu erwarten?
Auf dem Big Noise Label ist soeben ein Album erschienen: When the cap is raising. Wir haben auch die Aufnahmen der LP Ronsard für das Psychedelic Label eben beendet, die im Oktober erscheinen sollte, und für Illusion haben wir die Aufnahmen eines 70-minütigen Stückes (von DDAA) vorgesehen, das auf CD erscheinen wird.

Zuerst erschienen in Out Of Depression No.11, 1988

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