Broadcast & The Focus Group
November 12th, 2009
Broadcast & The Focus Group – Investigate Witch Cults of the Radio Age (Warp)
Kürzlich starb Edward Woodward, der in dem 1973-er Kult-Horror-Film ‘The Wicker Man’ den bibeltreuen schottischen Polizisten spielte und gegen allerhand heidnische Praktiken auf der abgelegenen Insel (erfolglos) ankämpfte. Nicht nur die Bilder und die Geschichte, sondern vor allem die raffinierte Kombination mit Musik und Toneffekten, lassen Robin Hardys’ Film nach wie vor als zeitgemäß und originell erscheinen. Die Musik ihrerseits, eine äußerst bizarre Vermischung von abgespactem Folk, dunklem Ritualismus und Spät-Hippie-Schlagern, läßt sich problemlos ins Jahr 2009 und in den Zirkel der Künstler und Musiker transportieren, die sich unter dem neu erfundenen Genre ‘hauntology’ wohlfühlen. Zum Beispiel das Birminghamer Duo Broadcast und der Grafiker und Ghost Box-Mitbegründer Julian House. Diese kennen sich schon einige Zeit. – House gestaltete die ersten Plattenhüllen der damals noch als Band fungiereden Retro-Futuristen. Mit The Focus Group, seinem musikalischen alter ego, betreibt er eine gleichermaßen ausgeklügelte wie faszinierende Verbindung von nostalgischer Spurensuche (Archivmaterial aus Radio und TV) und modernster Samplingtechnik. Die nun auch musikalische Zusammenarbeit ist also nur logisch. Trish Keenans’ nach wie vor seltsam entrückter Gesang bekommt man bis auf einige Hintergrundseinlagen nur in den wenigen, konventionellen, als Songs angelegten Stücken zu Gehör. Ihr Broadcast- Partner James Cargill und Julian House fabrizieren das, was man in der inzwischen beliebten Schublade Soundtrack für einen imaginären Film ablegen könnte.
Sachiko
November 10th, 2009
Sachiko- Kunado
Die Sängerin von Japans Psych-Dronern Overhang Party Sachiko macht in den letzten Jahren auch regelmäßig durch ihre hervorragenden Soloalben auf sich aufmerksam. Kunado, auf Utechre veröffentlicht, tut dem keinen Abbruch. Pechschwarz, reduktionistisch ist ihre Musik; wie eine einsame, im Weltraum treibende Seele kommt man sich zwischen den Lautsprechern vor, nur mit Stimme und Elektronik erzeugt sie Tiefe, es oszillieren die Membrane, bevor man dann auf die Route 21 in den Cosmic Garden katapultiert wird, wo dann das Inferno mit einer ätzenden Verbindung von Splatter-Jazz, Maschinenmusik und zerschreddertem Schlagwerk ausbricht. Die Voice From The Border tönt wie durch ein zähklebriges Gebräu gefiltert, bei Gakia No Mori und Chlacona bekommt man durch ein Wesen, das einen gar seltsamen Singsang von sich gibt wieder eine kosmische Meditationspraktik von übermorgen vermittelt. Psychedelish? Das ist nur der Vorname. utechre
The Raincoats
November 1st, 2009
The Raincoats – The Raincoats
Als Nottinghill noch nicht die Yuppies, sondern die Bohème anzog, die sich im damals ärmeren Teil von Londons Westen unter den zahlreichen Einwanderen aus den Ex-Kolonien wohlfühlte – Colin Macinnes hat daraus eine Trilogie gemacht -, war dies ein idealer Ort für Subversionen jeglicher Art und ebnete zwanzig Jahr später logischerweise auch den alternativen, politisch motivierten Vertretern des Punk den Weg. Der Rough Trade – Laden in der Talbot Road als Nervenzentrum und Informationsaustauschbörse für ständig neu gegründete Bands, die sich von der ersten Welle musikalisch inspirieren ließen, aber im Gegensatz zu diesen, nicht versuchten, bei einem der großen Labels unterzukommen, sondern ein D.I.Y.-Ethos lebten. The Raincoats waren trotz der Vielfalt an neuen Bands und Stilen speziell, neben den Slits und Kleenex waren sie einerseits bei der Gründung eine der wenigen Frauenbands, sie hatten einen feministischen und politischen Anspruch und wagten sich stilistisch in ungewohnte Terrains vor. Gina Birch stammte ursprünglich aus Nottingham, Ana Da Silva zog von Madeira nach London. Beide lernten sich am Art College kennen, wie man das in GB scheinbar immer tut. Palmolive von den Slits spielte Schlagzeug und mit Vikkie Aspinalls’ Violine rücken sie schon einmal von der reinen Lehre des Punk ab. Odyshape, ihr zweites Album, das mit esoterisch-versponnener Folk-Avantgarde so weit wie nur möglich von jeglichen Rockismen abrückte, ist in den Kanon der Alternativkultur der Achziger aufgenommen worden, aber schon das Debut ist auf seine Art ein Meilenstein, der auch die Richtung der ersten Rough Trade – Jahre prägte, als dort die wichtigste und kompromissloseste Musik der Dekade veröffentlicht wurde. Auf The Raincoats kann man die Gruppe sich in Echtzeit entwicken hören. Sympathischer Diletantismus mischt sich mit Ambition und Experimentiergeist; Birchs vom Rock und Da Silvas irgenwie von der portugiesischen Folklore inspierieten Songs ergeben eine holprige, schrille aber nichtsdestsoweniger subtile Musik, die sich auch heute, dreißig Jahre später (ähm…), unverbraucht anhört. Lange Zeit vergriffen, ist das Album nun von der auch wieder aktiven Gruppe selbst wiederveröffetnlicht worden; vertrieben von Rough Trade, so schließt sich der Kreis. (theraincoats.net)
The Fiery Furnaces
October 11th, 2009
The Fiery Furnaces – Bad Bonn, 4.10.09
Das nächste Projekt der Geschwister Friedberger wird ein ‘Silent Album’ sein (man bekommt dann nur die Noten und etwaige Instruktionen geliefert). Das aktuelle –‘I’m Going Away’ – das sie derzeit live präsentieren, ist alles andere als silent, obwohl manch Nörgler im direkten Vergleich zum vertrackten Vorgänger oder dem Konzeptalbum mit Texten/Gesprächen ihrer Großmutter eine Tendenz hin zum Konventionellen heraushören mag.
The Drellas – Violence Is Art
September 26th, 2009
The Drellas – Violence Is Art (Single auf AntiPop)
Drella war, wie man weiß, der Spitzname von Andy Warhol. The Drellas nun sind das neue Projekt von Tommy Scott, der in den Neunzigern von Liverpool aus mit seiner Band Space eine ironische Antwort auf die Britpop -Welle aussandte. Im Gegensatz zu den 1990ern sind die Zeiten heute deutlich bescheidender, so dass im gleichen Maße die Musik wieder relevanter wird. Die erste Single des Quartets, lupenreiner Art-Punk mit Hang zur Hysterie, macht auf das kommende Album neugierig.
Brigitte Fontaine- Prohibition (Album auf Polydor France)
Giftig, spröde und sich mit angesagten Gästen umgebend – diesmal Grace Jones und Katerine – ist Madame Fontaine so zeitlos und kompromisslos wie gewohnt. Nicht Chanson, nicht Rock, nicht Jazz und schon gar nicht Pop, BF ist seit Jahrzehnten für ihre eigene Nische verantwortlich.
Double Nelson – Pousser La Voiture (Album auf doublenelson.com)
Live eine grandiose Trash-Show, gibt sich das Frau/Mann-Duo aus Nancy auf ihrem sieben Album – sie sind schon zwanzig Jahre im Geschäft – handzahmer, aber nicht minder unterhaltsam. Billigelektronik, durch selbstgebaute Effektgeräte gejagte Instrumente und Stimmen zerschreddern die sich aus einer kruden Mischung aus Rockabilly, Disco und Swamprock speisenden Songs.
Mordant Music – SyMptoMs (Album auf Mordant Music)
Songorientiertes, melancholisches Album des Chefs des kleinen, aber stilprägenden Elektroniklabels, auf den Spuren von Disco Inferno und Bark Psychosis, ohne die eigenen Ursprünge, die in Dubstep-Hypriden und dem Plündern und Mixen von alten TV/Radiodokumenten liegt.