Anni Hogan
December 5th, 2009
Anni Hogan – kickabye
Anni Hogan, Pianistin, Komponistin und Sängerin, verhalf einigen der Post-Post-Punk Stars des dark undergounds – Marc Almond (& The Mambas), Nick Cave, Foetus, Matt Johnson etc. – zu einem ordentlichen Arrangement und Songwriting. Ihre eigenen Stücke blieben bis auf ein Mini-Album undokumentiert. Kickabye erschien 2009 nun als Neuauflage mit reichlichem Bonusmaterial. Im Gegensatz zum testosterongeschwängerten Nick Cave, der sich bei jedem Song durch eine kleine Teufelsaustreibung den Therapeuten erspart, und dem exhalierten Marc Almond, beide als Gastsänger vertreten, sind die Kompositionen, bei denen Hogan selbst singt oder die instrumental bleiben von einer kühlen, aber dezenten Handschrift. Auf Kickabye interpretierte Hogan am überzeugendsten einige der dunkel-makabren Gedichte von Jessamy Calkin wie Just Like Drowning Kittens oder The Executioner’s Song. Das nie veröffentlichte zweite (Mini-) Album entstand zusammen mit Barry Adamson und überzeugt gleichfalls. Neben weiterem Unveröffentlichem aus dieser Zeit bekommt man auch vier neue Pianostücke zu hören, die die dunkel melancholische Grundstimmung von Kickabye aufgreifen und fortführen. coldspring
Leyland Kirby
December 2nd, 2009
Leyland Kirby – Sadly The Future Is No Longer What It Was (HAFTW)
Leyland Kirby (aka James Kirby) ist nicht gerade ein Mann, der vorgibt sich kurz fassen zu wollen. Nachdem er mit Partner Andy McGregor als V/VM in den auslaufenden Neunzigern noch kurzerhand Scheußlichkeiten vom Kaliber Chris De Burgh und Elton John schlachtete, bescherte er mit seinem The Caretaker-Projekt dem Anhänger u.a. eine epische 6 CD-Box; bei Leyland Kirby sind es nun auch wieder drei CDs geworden. Ging es bei The Caretaker mit seinen verfremdeten, melancholisch bis verhuschten Samples aus imaginären Ballroom-Zeiten, oft von alten Schellacks destilliert, um das Festhalten eines kulturellen Gedächtnisses bzw. des Verlusts dessen – dem Zeitenlauf oder der Amnesie geschuldet, ist das neuste Projekt thematisch und musikalisch deutlich trockener ausgefallen. Das Titelstück und die gleichfalls aufbauend betitelten When We Parted My Heart Wanted To Die und Memories Live Longer Than Dreams strecken sich auf jeweils achzig Minuten. Ohne die charakteristischen Samples und reduziert auf ein einsames Piano, kühle Synthesizer-Klänge und dronige Hintergrundsgeräusche ist dies Meditationsmusik für Pinguine, die gleichmaßen ohne Suspense und eigentliche Dramatik auskommt.
The June Brides
December 1st, 2009
Every Conversation: The Story Of The June Brides
The June Brides waren eine prototypische Mitt-Achziger Indieband. Beeinflußt wie so viele andere von V.U., leistete man sich werksgetreu einen Violinisten, aber Markenzeichen der dann doch in Richtung gepflegten Schrammelpops tendierenden Songs war eine melodiebestimmende Trompete. Man trieb sich in den angesagten Londoner Clubs wie Communication (dort enstand ein noch angesagterer Sampler) und Living Room rum, fiel durch das Netz von Alan McGees gerade gegründetem Creation-Label, ließ ein Mini-Album von einem Fan veröffentlichen, der flugs ein anderes Label gründete, und führte mit There Are 800 Million Stories… plötzlich die Independent-Hitparade (die gab es damals) an. Weniger exzenrisch und originell wie TV Personalities, The Pastels oder The Nightingales, weniger talentiert als The Smiths verbrannte die Band dann, beim Versuch einen üppig produzierten Nachfolger zu kreieren. Phil Wilson, Mastermind der June Brides, landete als Soloartist dann noch bei Creation, blieb aber erfolglos. (Every Conversation: The Story of the June Brides & Phil Wilson, Cherry Red)
Evangelista
November 24th, 2009
Evangelista, Colmar , 9.11.2009
Bloody Claws, Carla Bozulich im Duett mit dem Cellisten Francesco Guerri, lehrte beim spätsommerlichen Météo-Festival in Mulhouse dem scheinbar ‘freie Musik’ – geschulten Publikum mit einem auf die Spitze getriebenen düster-ironischen Auftritt, der von der Attitüde mehr Punk- als Plink Plonk-Spirit inhaliert hatte, das Fürchten bzw. schlug einen Teil gar in die Flucht.
Charlotte Gainsbourg
November 15th, 2009
Charlotte Gainsbourg – IRM
Lemon Incest, clever in Szene gezetzter Tabubruch, wirkte so nachhaltig, dass Charlotte Gainsbourg ihre musikalischen Ambitionen für rund zwei Jahrzehnte vergaß und dafür im Film vom Nachwuchstalent zur gefragten Charkaterdarstellerin avancierte. Doch 2006 erschien mit 5:55 plötzlich ein ambitioniertes Pop/Chanson-Album von CG, für das sie sich Songs von Air, Jarvis Cocker und Neil Hannon schreiben ließ. Stellenweise wirkte sie auf dem Album allerdings noch wie ihr eigener Gast. Deutlich selbstbewußter und abgeklärter kommt nun ihr Gesang auf dem Nachfolger zur Geltung, ein Album, für das sie Beck als Produzenten und Songschreiber gewinnen konnte: IRM entstand, laut Interviews, in einem Prozess enger Zusammenarbeit von Charlotte Gainsbourg und Beck Hansen – einem Meister der Arrangierkunst und selbst erklärter Fan von Vater Gainsbourg. Er lässt IRM wie aus einer Zeit entstanden wirken, als man eine Platte noch als vierzigminütiges Gesamtkunstwerk ansah und dramaturgisch durchdachte. Eklektisch, üppig und exzentrisch instrumentiert (Streicher, Orchester, holprige Rhythmen, originelle Melodieeinfälle und Chöre), psychedelisch, folkig, schräge C & W- Adaptionen, bei Heaven Can Wait und Time Of The Assassins dann hymnisch-popig, bevor dann bei La Colle Cliomeuse Apollinaire zitiert wird; das Titelstück handelt von CG’s Hirnblutung, die sie letztes Jahr erlitt (IRM ist die franzsösiche Bezeichnung für die radiographische Untersuchung), Chat Du Cafe Des Artistes ist eine Cover-Version des franko-kanadischen Chansoniers Jean-Pierre Ferland von 1972 und der (in-)direkteste Bezug auf S.G. charlottegainsbourg